Trauma-Videos von Shelley Uram

Im Zwölf Schritte Forum (existierte bis 2016-03) bekam ich einen ersten wichtigen Hinweis, was ein frühkindliches Trauma wirklich bedeutet. Die Videos von Shelley Uram sind leider nur auf Englisch, aber gut erklärt und essentiell für das Verständnis. Auf jeden Fall den Babelfish ins Ohr:

Update 2023-04-11:
Die ursprünglich hier verlinkten Videos sind bei youtube nicht mehr öffentlich verfügbar und wurden durch Links auf lokale Kopien ersetzt.

Different Trauma 10’10”
Die großen Traumata (“Big T”) sind nur ein kleiner Tropfen im Faß aller Traumata.
Die schlimmsten Traumata sind die subtilen Traumata.
Die kleinen Traumata: ein Kind im Alter von 2-3 Jahren, dessen Mutter für 6-8 Wochen leicht depressiv verstimmt ist. Ein normaler Erwachsener würde es gar nicht merken, aber Kinder, die in diesem Alter komplett abhängig von ihrer primären Bezugsperson sind, nehmen diesen kleinen Aufmerksamkeitsunterschied war. Und sie haben noch kein Zeitgedächtnis (Hippocampus).
Kinder im Alter von 3-5 mit sehr autoritären Eltern nehmen das was diese sagen als sehr bedrohlich wahr, weil sie noch nicht so klar denken und verstehen können wie ein Erwachsener. Eine einfache Schreckreaktion ist da schon eine Traumareaktion. Mit 15 weiß man, dass nichts besonderes passieren wird. Wenn man klein ist, versteht man das nicht. So gibt es eine ganze Reihe von kleinen Traumata, die im Gedächtnis bleiben, egal wie unbegründet sie auch sein mögen, ja, defintiv falsch sind und über Jahre und Jahrzehnte.
Offene Traumata sind Traumata an der Oberfläche d.h. man kann sie sehen.
Verdeckte Traumata sind die tödlichsten. Diese werden im Überlebensgedächtnis gespeichert ohne dass man weiß, wie sie dorthin gekommen sind. Man hat alle Traumasymptome und keine Ahnung wieso und keine Geschichte zu erzählen. Und das macht eine Behandlung sehr schwer.
Das alles geht in unsere unbewußte Grundstuktur ein.
Kleine und verdeckte Traumata sind die schwierigen.
Trauma ist sehr relativ. Es gibt nichts, das einen potentiell nicht traumatisieren kann. Und es gibt nichts, dass einen traumatisieren muss.

Different Parts of the Brain 15’33”
Drei verschiedene Hauptbereiche des Gehirns:
Das Stammhirn ist hunderte von Millionen Jahre alt. Es macht das was sehr primitive Tiere tun. 100% unbewußt. Keinerlei Gedanken. Es geht nur um Gleichgewichte (Homoöstase). Alles Autopilot.
Das Mittelhirn, das limbische System, entwickelte sich etwas 100 Millionen Jahre nach dem Stammhirn. Dort finden u.a. starke Emotionen, Teile der Trauma- und Überlebensreaktion (fight-flight-and/or-freeze) statt. 100% unbewußt. Keine Möglichkeit irgendetwas zu verstehen (Kognition).
Diese Teile des Gehirn sind immer noch altertümlich. Unsere Persönlichkeit befindet sich im Großhirn (Präfrontal-Cortex), aber 2/3 unseres Gehirns funktioniert altertümlich. Nur 1/3, das Großhirn, ist bewußt.
Das limbische System ist der wichtige Teil bei einem Trauma. Wenn dieses limbische System wahrnimmt, das etwas eine Gefahr für einen darstellt – ob korrekt oder nicht spielt keine Rolle, wenn das Gehirn denkt etwas ist eine Gefahr, alles was das limbische System tut ist diese Wahrnehmung oder Erfahrung fest mit der Überlebensreaktion (fff) zu verbinden. Das ist alles was es tut, kein Nachdenken erforderlich, kein Verstehen, keine Analyse, keine Intelligenz, keine Sprache, keine Gedanken. Und wenn das Gehirn in Zukunft durch ähnliche Erfahrung daran erinnert wird, wird die gleiche Überlebensreaktion getriggert.
Aber was ist die hauptsächliche Therapie in England/USA: kognitive Verhaltenstherapie. Aber wo findet das statt? Im Großhirn. Wieviel wird das limbische System davon verstehen? Nichts!
Glücklicherweise übersimplifiziere ich hier und manche werden etwas von kognitiver Verhaltenstherapie profitieren, aber im Verhältnis dazu wie tief es sitzt, nicht in dem Außmaß, dass das Trauma verschwinden wird

Der Thalamus im limbischen System ist die große Schaltstation. Alle Sinneswahrnehmungen laufen dort zusammen und blitzschnell entscheidet dieser wohin die Informationen geschickt werden sollen, also zum Sehzentrum, Geruchszentrum etc. und wenn der Thalamus “denkt” etwas ist eine Gefahr, sendet er dies an die Amygdala, den Mandelkern, und dies hat u.a. den Schalter für die fff-Überlebensreaktion. Und wenn das Gehirn denkt etwas ist eine lebensbedrohliche Situation wird es dort bleiben und es kann das für den Rest deines Lebens. Und wenn das Gehirn an etwas was dort gespeichert ist, erinnert wird, wird man erneut getriggert.
Und was machen wir mit unserem Präfrontal-Kortex die ganze Zeit? Denken, denken, denken. Außer wenn wir schlafen. Das meist ist unwichtig, aber das ist das was wir tun. Das ist der einzige Teil der bewußt ist im Gehirn. Was tut dieser also wenn Körper und Gefühle z.B. in einen Angstzustand gehen? Er wird eine Geschichte dazu erfinden.
Die Kausalketter verläuft nun so: Wenn man also 2-3 Jahre alt ist und die Mutter hat eine leichte Depression und wie man darauf reagiert (fight-flight-and/or-freeze) wird man immer wenn man wieder einen wenn auch nur leichten Verlust, erleidet, erneut getriggert. Da dieser Hirnbereich aber zu 0% bewußt ist, wird man sich einer erneuten Triggerung absolut unbewußt sein. Aber Körper und Gefühle gehen in die fff-Überlebensreation. Und das Großhirn denkt sich dazu eine Geschichte aus, wieso und warum man diese Gefühle und körperlichen Reaktionen hat.
Ein Hinweis, dass man sich in einer Traumareaktion befindet, ist die Reaktion des Umfeldes. Wenn auf einer Intensitätsskala von 0-10, das Umfeld eine 3-4 zeigt, man selbst aber eine 10, dann ist eine Traumatisierung sehr wahrscheinlich.


Trauma and How the Brain Communicates 2’41”
Grobe Schätzung: vom Großhirn zum limbischen System und Stammhirn kommt etwas nur ein Promille dessen an was umgekehrt vom Stammhirn und limbischen System im Großhirn ankommt.
Wir haben drei Gehirne, aber nur einen Verstand

Limbisches System und Stammhirn sind das Tier-Gehirn. Trauma findet im Tier-Gehirn statt, nicht dort was uns zu Menschen macht.
Trauma ist verschlüsselt im körperlichen und emotionalen Selbst, nicht im denkenden Selbst. Und das als fight-flight-and/or-freeze.
Gute Traumaarbeit wie EMDR,”somatische Erfahrung” – es gibt eine Menge davon – sprechen das limbische System und das Stammhirn an. Und später wenn die feste Verbindung der fff-Überlebensreaktion gelockert und gelöst wird, dann funktionieren Therapien die auf das Großhirn abzielen wesentlich besser


Chronisches Trauma
Chronic Trauma 4’36”
Wenn man in die fff-Überlebensreaktion geht findet eine riesige, mächtige biochemische Reaktion im Körper statt, die dazu da war unser Überleben zu sichern. Wenn du als kleiner Nager von einem Koyoten verfolgt wirst, dann wirst du alle deine Energiereserven biochemisch mobilisieren, damit sie dich in die Richtung des Überlebens bringen. Aber diese biochemische Reaktion war nur gedacht ein paar Minuten hier, vielleicht eine bis mehrere Stunde zu wirken und das alle paar Monate. Es war nicht dazu da 30 mal am Tag zu reagieren. Es sind sehr giftige Chemikalien, gedacht für einen kurzen Ausbruch, nicht mehr.
Doch das menschliche Gehirn kann tausende von Trauma-Mustern gespeichert haben und dutzendfach am Tag getriggert werden. Ein gesundes Gehirn wird nicht 30 mal am Tag von 0 auf 100 und zurück fahren, sondern sich dem anpassen und eine dauerhafte Traumareaktion von 10,20% einstellen. Das Trauma ist damit chronisch. So obwohl man sich gut fühlt befindet man sich ständig in diesem Zustand und man hat den ganze Tag unterschwellige Gefühle von Angst, Lähmung oder Aggression, je nachdem welcher fff-Typ man ist.

In der Folge ergibt sich toxischer Stress

Explicit and Implicit Memories 5’59”
Explizites Gedächtnis: das was wir vereinfacht im Großhirn abspeichern und was wir wieder vergessen, wenn es unwichtig geworden ist. Es ruft kein besondere emotionale oder körperliche Reaktion hervor. Beispiel: was haben Sie heute morgen gegessen? was haben sie vor 10 Jahren an diesem Tag gegessen? (und vergessen)
Implizites Gedächtnis: Erinnerungen die vom Thalamus an die Amygdala gesendet werden sind im limbischen System gespeichert und dieses Hirngewebe ist komplett anders als das Großhirn. Alles was dort gespeichert wird ist verbunden mit einer fff-Überlebensreaktion und es bleibt dort für den Rest des Lebens, es sei denn man tut etwas, dass diese Verbindung aufbricht
Die Crux ist nun, dass selbst wenn man als Erwachsener rational genau weiß, dass etwas nicht gefährlich ist, so ist dies im Großhirn abgespeichert. Im limbischen System ist aber noch die implizite Erinnerung und egal wie alt und erfahren man ist, der Trigger wird immer die fff-Überlebensreation auslösen.

Sense of Self and the Nature of the Child 3’38”
Die grundlegende Natur eines Neugeborenen: friedliche, freudig, kein Gut und kein Böse, keine Erwartungen an uns selbst oder andere, wir leben von Moment zu Moment, kein Empfinden für Vergangenheit oder Zukunft und wir haben kein Selbst-Bewußtsein. Erst ab dem Alter von ca. 3 Monaten beginnt die leise Ahnung von einem Selbst. Wir entwickeln uns dann gemäß der Malow’schen Bedürfnispyramide und da ultimative Ziel ist, am Ende des Lebens immer noch diese authentische Natur bewahrt zu haben, aber mit einem Selbst-Bewußtsein.

Emotional Trauma and Brain Development 2’06”
Wenn ein Kind geboren wird, funktioniert das Stimmhirn schon ziemlich gut. Das limbische System etwa zu 80% und das Großhirn zu 50%. Und bevor das Großhirn richtig “online” ist, dominiert das limbische System und das Stammhirn. Und je weiter sich das Gehirn von Stufe zu Stufe entwickelt, um so mehr beruhigen sich die Stufen darunter. Wenn man 2 Jahre alt ist, hat man extrem intensive Gefühle: traurig ist gleich todtraurig, freudig ist gleich überglücklich, und ärgerlich ist gleich sehr ärgerlich. Wenn man weiter aufwächst beruhigen sich diese intensiven Gefühle. Aber bis es soweit ist kann ein Kind in dieser kritischen Phase durch Emotionen leicht traumatisiert werden. Wir sind ein leichtes Ziel (sitting ducks) für ein Trauma, wenn wir jung sind.

Trauma Triggers 2’10”
Wenn man durch im impliziten Gedächtnis gespeichertes Muster erneut getriggert wird, erinnert man sich nicht einfach an die Wundes des Traumas, man wird selbst zu Wunde und retraumatisiert. Das ist kein Erinnern sondern ein Zustand, der wieder erlebt wird mit allen Gefühlen und körperlichen Symptomen. Und meistens weiß man sogar nicht, dass man sich darin befindet. Und egal wie alt man ist, wenn man erneut getriggert wird, geht man nahtlos in das emotionale Alter in dem das Trauma passierte und auch die Bewältigungsstrategien sind die gleichen von damals. Man selbst denkt noch man sei so alt wie man ist und merkt nicht, dass man gerade eine nahtlose emotionale Zeitreise in die frühe Kindheit macht. Die Umwelt ist vielleicht irritiert, aber man selbst merkt es nicht.

Addiction in the Brain 2’05”
Das aufsteigende retikuläre Aktivierungssystem im Stammhirn: Neben der Steuerung von Wach- und Schlafrythmus, sowie Erregung und Erregbarkeit, wird dieses getriggert, wenn man etwas anders macht als sonst. Und man verspürt im Körper eine Unruhe.Und das hindert einen mit schlechten Angewohnheiten zu brechen und bessere sich anzugewöhnen. Das aufsteigende retikuläre Aktivierungssystem wird gleich doppelt getriggert. Es ist unbequem und es fühlt sich nicht richtig an.

The Brain and Family Dysfunction 1’46”
Wenn man sich normal entwickelt und von einer leicht dysfunktionalen Familie traumatisiert wird, wird immer die fff-Überlebensreaktion gewinnen. Kleine Kinder werden sich immer auf ihr Bezugspersonen einstellen und nicht auf sich selbst. Nummer Eins im Gehirn ist Überleben: Mama und Papa glücklich machen. Die eigene Entwicklung geht weiter, aber sie steht wie ein Windflüchter unter dem Einfluß eines ständigen Seitenwindes. Wenn man mehr nach außen als nach innen gewandt ist, macht es wesentlich schwerer sich auf seine authentische Natur zu besinnen.

One’s Authentic Nature 1’41”
Authentische Natur: alle Gehirne von Säugetieren sind in erster Linie festverdrahtet mit Überleben.
Auf der einen Seite die authentische Natur und auf der anderen Seite die Überlebensreaktion des Traumas und das sind entgegengesetzte Entwicklungsrichtungen. Das primitive Gehirn und der Körper sucht Sicherheit und verstehen nicht das Konzept von Authentizität. Die authentische Natur zieht in die eine, das physiologische Gehirn in die andere Richtung und deshalb sieht die Menschheit so aus wie sie es tut.

Daraufhin schrieb ich einen eigenen Artikel mit dem Titel
Das Navratilova-Schmidt-Paradoxon

Update 2023-04-11:
Die folgenden Links sind leider auch nicht mehr verfügbar.
aber Shelley Uram hat inzwischen eine eigene Website ( besser über archive.org abrufen, da dort ohne JavaScript und Browser-Meckerei)

Anreißertexte zu den Videos von Dr. Shelley Uram
the Sense of Self and Nature of Children
Trauma in Humans
Little Traumas
One’s Authentic Nature
The Brain and Family Dysfunction
Explicit and Implicit Memories
Different Trauma
Chronic Trauma

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