Geist & Gehirn

Dies ist eine Sendereihe des Bildungskanals br-alpha (jetzt ARD-alpha) von und mit Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer.

Eine für das allgemeine Verständnis der Funktionsweise des menschlichen Gehirns sehr empfehlenswerte Sendereihe in den bewährten alpha-centauri-15-Minuten-Happen. Welche Folgen noch online verfügbar sind ist aus dem Episodenguide ersichtlich. Sie sind in der BR-Mediathek abrufbar.
Es empfiehlt sich diese offline zu archivieren, denn die ARD depubliziert kräftig.
Es gibt sie aber auch auf DVD. Günstige Gebrauchtexemplare sind schon für unter 5 EUR auf ebay zu haben. Staffel 1-8 auf Doppel-DVD (I-IV), Staffel 9,10,11a,11b,12 auf Einzel-DVD (V-IX).

Insgesamt zig Stunden hirnphysiologisches Basiswissen, fast schon ein populärwissenschaftliches Standardwerk. An den abgeschnittenen y-Achsen, fehlenden Fehlerbalken und anderem schlechten Statistik-Stil sollte man sich nicht aufhängen, aber man sollte es im Hinterkopf behalten, denn das suggeriert häufig viel stärkere Effekte als es tatsächlich der Fall ist. Also öfter mal einen Blick auf die y-Achse werfen und schauen wo der Ursprung ist.

Ich habe mittlerweile die Ausgaben der Staffel 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 12. Wer mich kennt, kann von mir eine Privatkopie haben.

Besonders empfehlen möchte ich folgende Episoden:
s02e17 Stress
s02e20 Depression
s02e21 Kindheitstrauma
s05e12 Gehirnentwicklung
s05e13 Entwicklung und Lernen
s07e09 Mutter-Kind-Beziehung
s07e10 Emotionen: Gut und schlecht
s08e13 Unbewußte Logik
s12e07 Unbewusste Kindheit
s12e14 Emotionskontrolle
s12e15 Burnout

Daneben finden sich auf youtube mehrere über 1½ bis 2 Stunden gehende Vorträge.
Empfehlen möchte ich
Wie lernen Kinder – aktuelles aus der Hirnforschung Dauer: 1:34:35

Was hier gezeigt wird, wie unglaublich lernfähig unser Gehirn ist. Das kommt mit weniger als der Hälfte von sich selber auf und es fällt ihnen gar nicht auf.

Anm. aber nur im Kindesalter kann so etwas kompensiert werden.

Das Gehirn macht 2% der Körpermasse aus, verbrät aber 20% der Energie – bei einem Erwachsenen. Beim Kind sind es 50%.

Gedächtnisspuren. Die Wurzel des Wortes Lernen ist Leis, wie Gleis, das heißt Spuren legen.

Spuren in unserem Gehirn werden auch dann benutzt wenn sie nicht mehr auf die Realität passen.
Warum? Weil sie schon da sind! … Daraus folgt: Umlernen ist ganz schwierig. Besser gleich richtig.

(41:20) Hier ist eine Kuh. Wer sieht die Kuh? Jetzt zeig ich Ihnen wo die Kuh ist. Und jetzt sehen Sie alle die Kuh. …
Bitte versuchen Sie doch jetzt mal keine Kuh zu sehen. Das geht nicht!

Das ist alles gelernt.
Sie wissen nicht, dass sie das alles wissen.
Sie wissen noch viel mehr und wissen davon gar nichts.
Heftigstes Lernen hat in Ihren Köpfen stattgefunden. Und genau das machen wir in den ersten paar Lebensjahren ganz ganz heftig. Wenn das Gehirn auf die Welt kommt, kann es fast nichts. Und dann lernt es viel unglaublich schnell.

Und um was zu lernen müssen wir und heftig mit einer Sache beschäftigen.
Wenn wir etwas lernen dürfen wie die Dinge nicht einfach an so ranklatschen, sondern wir müssen etwas damit machen.
Die Verarbeitungstiefe ist wichtig.

Das Gehirn wächst von der Geburt an auf das vierfache seines Volumens.
Bei der Geburt sind die Gehirnzellen alle vorhanden, und auch alle Fasern die die Zellen verbinden sind alle vorhanden. Was wächst dann?

Am Anfang ist die Nervenleitgeschwindigkeit nur 3m/s. Da kann man dem Impuls zusehen.
Die Gehirnbereiche müssen aber schnell miteinander kommunizieren. Das kann mit 3m/s nicht gut funktionieren. Sie haben alles, aber es ist noch nicht “online”, wird in die Verarbeitung nicht einbezogen.
Erst wenn die Nervenfasern während der Entwicklung langsam mit Myellin ummantelt werden, steigt die Geschwindigkeit um das 30-fache.
Wenn wir mit dem Gehirn was wir heute haben, geboren worden wären, hätten Sie nie sprechen gelernt. Das wäre zu schwierig gewesen.
Weil sich unser Gehirn entwickelt während es schon lernt, braucht es bis zum Alter von 6 Jahren keinen (Schul-)Lehrer. Die Hirnentwicklung sorgt automatisch dafür, dass erst einfaches und dann komplexes gelernt wird. Gerade weil Babies so unfertig auf die Welt kommen, können sie so toll lernen.

Für jedes lernende System gilt: lernen ist immer das Abschätzen eines wahren Wertes, den Sie nicht kennen.
Man kann aber nicht gleichzeitig mit großen und kleinen Schritten lernen. Die Lösung: zuerst ganz schnell in großen Schritten und dann langsam in kleinen Schritten. Die Lerngeschwindigkeit nimmt über die Lebenszeit ab.
Aber wer mit 40 schon vier Sprachen spricht, der lernt in 6 Wochen oder Monaten eine neue Sprache und ist damit viel schneller als ein Baby. Aber er baut nur auf den vorhandenen Sprachspuren auf. Und das machen wir immer so!
Ältere Menschen (> 17) lernen nicht wie Babys, dass sie ihre Synapsen ganz schnell verändern. Sondern in dem sie die Spuren, die schon da sind, ein bisschen ändern und vor allem die verwenden, die schon da sind.
Unser Gehirn ist kein Schuhkarton, in den wenn er halb voll ist, nur noch die Hälfte reinpasst.
Unser Gehirn ist ein paradoxer Schuhkarton: je mehr schon drin ist, desto mehr passt noch rein.
Wenn man 17 ist und es ist noch nichts drin, dann passt auch nichts mehr rein.
Die Lerngeschwindigket mit der sich eine Synapse ändern wird nicht nur weniger, sondern sie geht in den Keller. Und das muss so sein, denn man will schnell zu Wahrheit hin und sich dann in kleinen Schritten der Wahrheit nähern, dass man auch dort ankommt und nicht gleich wieder weg ist.
In den ersten Jahren lernt das Gehirn ganz schnell und dann wird es aktiv runter geregelt. Die Lerngeschwindigkeit wird aktiv platt gemacht.

Ich widerspreche Spitzer in seiner undifferenzierten Einschätzung Kinder mit 1 oder 1½ schon in die Kita zu schicken, bloß weil die Mutter alleinerziehend ist und das Kind Einzelkind ist. Denn gerade in dem Alter braucht das Kind sehr viel Geborgenheit von der Mutter. Aber es gibt eine einfach Regel: es ist dann richtig das Kind in die Kita oder den Kindergarten zu schicken, wenn es selbst von sich aus das will. Die Entscheidung liegt deswegen nicht bei den Eltern, sondern dem Kind. Und das ist das entscheidende.

Wozu haben wir Emotionen? Damit wir ausnahmsweise ganz schnell lernen.
Meistens lernen wir langsam. Dadurch muss nicht alles einzeln gelernt werden, sondern das Allgemeine, die Regel dahinter und das ist meistens genau so gut. Gelegentlich müssen wir aber mal was einzelnes lernen. Dafür sind Emotionen da – gute und schlechte. Die schlechten haben den Nachteil, dass man damit schnell lernen kann, und unseren Körper auf Flucht und Kampf programmieren und unseren Geist abschalten um zu überleben. Deswegen ist Angst ganz schlecht für kreatives Denken. Angst macht, dass Ihnen nichts mehr einfällt. Sie können rennen und jeder Gedanke dabei würde stören. Problem heute: wir haben viel mehr Mathematikunterricht als Säbelzahntiger. Warum ist Mathe immer schon das Angstfach gewesen? Weil man kreativ sein muss um auf die Lösung zu kommen. Und wenn man Angst hat ist man das nicht. Und das wars. Was ist besser als Angst zu lernen? Freude. Und Freude macht auch, dass sie richtig gut sind.

(siehe auch die Folge “Emotionen – gut und schlecht”

Es kommt gar nicht darauf an gut in der Schule sein zu wollen, um gut in der Schule zu sein. Es kommt darauf an irgendwo gut werden zu wollen und dann zu merken “Hey wenn ich mir Mühe gebe, werde ich besser”. Was hat man gelernt? Die Regel “wenn ich mir Mühe gebe, werde ich besser” und dann wird man automatisch überall besser

und
“Digitale Demenz” im Zeitalter neuer Medien – Prof. Dr. Dr. Spitzer zu Gast in Louisenlund – Dauer: 2:08:29

Hätte man mit Ihnen bis zu Ihrem 13. Lebensjahr nicht gesprochen, dann könnten Sie überhaupt nicht mehr sprechen lernen. Dann ist das Fenster rum. Dann kann sich das Hirn nicht weiter entwickeln.

Ein Kind kann unglaublich viel unglaublich früh lernen. …
Nur kleine Gehirne, also von kleinen Kindern sind in der Lage plötzlich mit der Hälfte von sich selber auszukommen und so umzulernen, dass man es ein paar Jahre später nicht mehr mitkriegt.
Das geht bei uns [Erwachsenen] nicht. Wenn wir das Erleben wären wir tot oder schwerst behindert und das würde auch so bleiben. Wenn ein Dreijähriger das bekommt, merken Sie hinterher gar nichts mehr. Und das ist das Irre.
(34:00) Nach der Geburt lernen Sie rasend schnell. Das ist die Hirnbildung, extra nicht Entwicklung.

Lernen macht Dichteänderungen im Gehirn.
Aber man muss viel trainieren, dann hat es einen Effekt.

Sozialverhalten:
Nach Hause finden ist verdammt einfach, verglichen wie Sie mit Ihrer Schwiegermutter, Ihren Kindern, Ihrem Vorgesetzten und dem ganzen Rest der Menschheit klar kommen.

Wissenschaft heißt heute Wissenschaft von schlechter oder gar keiner Wissenschaft zu unterscheiden.

Demenz = geistiger Abstieg.
Was sich die wenigsten Forscher klar machen: für jeden Abstieg gilt: je höher sie anfangen, desto länger dauert es bis sie unten sind. Wer sein Gehirn richtig auftrainiert hat bekommt seine Demenz erst mit 150 und ist dann vorher schon an was anderem gestorben.

Je gebildeter das Gehirn ist desto besser kann es lernen.

Wenn ein schwächeres Auge bei einem Kind vom Gehirn nicht benutzt wird, ist das Auge mit 5 Jahren blind.
Und es bleibt blind. Da können Sie nichts mehr machen. Das gibt’s das Entwicklungsfenster, da muss das passiert sein, die Verdrahtung und wenn’s das war, dann war’s das.

Wenn Sie mit Ihrem Kind bis 13 nicht sprechen, dann war’s das. Dann haben sich die Sprachzentren entwickelt. Wir können mit 30 noch eine neue Sprache lernen, aber nur wenn da schon eine ist.
Sozialverhalten genauso. … Wenn es mit 20 nicht gelaufen ist dann war’s das.

Wenn man zwei [oder mehr] Sprachen spricht, kriegt man Demenz 5 Jahre später.
Zum Vergleich: die besten Medikamente gegen Alzheimer bringen 3 Monate. Wenn sie das jahrelang nehmen, kostet viel Geld. Haben Sie 3 Monate Ihre Demenz hinausgezögert.

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