Kindheits-Traumen

Dies ist eine Übersetzung von
Childhood Trauma, the Neurobiology of Adaptation & Use-dependent Development of the Brain: How States become Traits
(in der Übersetzung falsch verlinkt). Bemerkenswerterweise bereits im Jahr 1995, also vor 20 Jahren im Infant Mental Health Journal, 16(4), 271-291 veröffentlicht. Und auf der Website bereits im Jahr 2002. Nichtsdestotrotz scheinen die Erkenntnisse dieses Artikels, nämlich dass es einen signifikanten Unterschied zwischen gesunder und ungesunder kindlicher Hirnentwicklung gibt und in der Folge bei psychischen Problemen zumindest bei einer Diagnose differenziert werden muss ob eine frühkindliche Traumatisierung vorliegt oder nicht und in der Folge eine Therapie in ihren Zielen und Erfolgsmöglichkeitendarauf abgestimmt werden muss, keine nennenswerte Folgen gehabt zu haben. Selbst auf der restlichen Website des Übersetzers wird nach wie vor alles über einen Kamm geschoren. Eigentlich wäre eine Revolution in der Psychotherapie angesagt gewesen.

(Hervorhebungen von mir)

Kindheits- Traumen, die Neurobiologie der Anpassung und Benutzungsabhängige Entwicklung des Gehirns: Wie aus Zuständen Persönlichkeitsveränderungen und Charakterzüge werden

Traumen in der Kindheit haben einen tiefgreifenden Einfluß auf emotionale, verhaltensmäßige, kognitive, soziale und körperliche Funktionen von Kindern. Erfahrungen in der Entwicklung prägen und bestimmen den organisatorischen und funktionalen Zustand des reifen Gehirns.
Erwachsene interpretieren Handlungen, Worte und Ausdrucksformen von Kindern durch ihren eigenen von verschieden Überzeugungen verzerrten Filter. Im Leben der meisten Kinder sind diese häufigen erwachsenen Fehlinterpretationen relativ harmlos. In vielen Fällen allerdings können diese Fehlinterpretationen destruktiv sein. Das dramatische Beispiel ist, wenn die Auswirkung, die ein traumatisches Ereignis auf Kleinkinder hat, als gering angesehen wird. Es ist der Gipfel der Ironie, daß zu dem Zeitpunkt, an dem Menschen am verwundbarsten für Traumen sind – in der Kindheit- Erwachsene generell von einer großen und problemlosen Anpassungsfähigkeit und Spannkraft ausgehen.

Ausmaß des Problems

Trauma ist ein Erlebnis. Wie kann dieses Erlebnis die Welt eines Kindes in ein Horrorszenario verwandeln, verwirrendes Gift, das so dramatisch den Übergang eines Kindes ins Erwachsenenleben verändert? Letztlich ist es das menschliche Gehirn, das traumatische (und therapeutische) Erlebnisse internalisiert. Das Gehirn steuert und verarbeitet alle emotionalen, kognitiven, verhaltensmäßigen, sozialen und körperlichen Funktionen. Es ist das menschliche Gehirn, in dem unsere Seele wohnt, und in diesem lebt auch unsere Menschlichkeit. Wenn man die Organisation, Funktion und Entwicklung des menschlichen Gehirns und die von ihm verarbeiteten Antworten auf Erlebnisse versteht, hat man den Schlüssel, das traumatisierte Kind zu verstehen.

Systeme in den limbischen Hirngebieten sind für Bindung, Zuneigung, Affektregulation und Gefühle verantwortlich, und Systeme in der Rinde oder im Cortex sind für das abstrakte Denken und komplexe Sprachleistungen verantwortlich. Diese Systeme unterscheiden sich etwas im Hinblick auf die Art, wie sie funktionieren, welche hauptsächlichen Neurotransmitter sie benutzen, in den synaptischen Strukturen.

Benutzungsabhängige neuronale Veränderungen: Lernen, Gedächtnis und Sensibilisierung

Benutzungsabhängige Internalisation einer Angstantwort — ein ‘Zustands-‘ Gedächtnis — kann auch in einem erwachsenen Hirn gebildet werden (z.B.: bei den Kriegsveteranen mit PTBS). Im sich noch entwickelnden Hirn führen diese Zustände zu einer Neuorganisation neuronaler Systeme, mit der Folge von Persönlichkeitsveränderungen und Veränderungen der Charakterzüge.

Erlebnisse während der Entwicklung: Benutzungsabhängige Organisation neuronaler Systeme

Die beiden Hauptprinzipien der Neuro-Entwicklung, die mit dem Terminplan und der Natur dieser Organisation zusammenhängen, sind
1) benutzungsabhängige Entwicklung und Organisation des Gehirns und
2) kritische und sensible Lebensabschnitte.
Das Gehirn entwickelt sich in einer sequentiellen und hierarchischen Art und Weise — insbesondere von weniger komplexen (Hirnstamm) zu sehr komplexen (limbischen, kortikalen) Gebieten. Diese verschiedenen Gebiete entwickeln sich, organisieren sich und werden voll funktionsfähig zu verschiedenen Zeiten der Kindheit.

Dies bedeutet, daß verschiedene Hirngebiete zu verschiedenen Zeiten organisiert werden, und deshalb auch zu unterschiedlichen Zeiten sensibel auf Erlebnisse (bzw. neurotrophe Schlüsselerlebnisse) reagieren. Störungen des Erlebnis-abhängigen neurochemischen Signals während dieser Perioden kann zu schweren Abnormalitäten und Defiziten in der Neuro- Entwicklung führen — manche von ihnen könnten irreversibel sein (siehe unten).

Das einfache und unvermeidbare Ergebnis dieser Abfolgen auf die Neuro-Entwicklung ist, dass die Organisation eines sensitiven Gehirns eines Kleinkindes oder Kindes mit mehr Veränderungen auf ein Erlebnis reagiert als ein reifes Gehirn. Während Erlebnisse das Gehirn eines Erwachsenen verändern können, stellen Erlebnisse buchstäblich den Rahmen der Organisation und Entwicklung des kindlichen Gehirns dar. Weil das Gehirn in der Kindheit besonders plastisch (empfänglich für Eindrücke ( Input) aus der Umwelt) ist, ist das Kind besonders verwundbar durch die Erlebnisse in dieser Zeit.

Im Gegensatz zu gebrochenen Knochen, ist die irreversible Fehlentwicklung von Hirngebieten, die Empathie als Folge von emotionalem Mangel in der Kindheit, nicht ganz so einfach zu beobachten.

Abnormale Mikro-Umwelt – Schlüsselreize und atypische Muster der neuronalen Aktivität während kritischer und sensitiver Perioden, können dann zu einer Fehlorganisation und gestörten Funktion bei hirnvermittelten Fertigkeiten wie Humor, Empathie, Bindungsverhalten und Affektregulation führen.
Einige der wirksamsten dieser klinischen Beispiele für dieses Phänomen entstehen aus einem Mangel an Bindungserleben am Beginn des Lebens. Ein Kind, das früh emotional vernachlässigt wurde, wird im Leben tiefgehende Bindungsprobleme zeigen, die extrem wenig auf jeden Ersatz im späteren Leben, einschließlich einer Therapie, reagieren.

Die Antwort des Kindes auf Bedrohung
Das Hyperarousal- Kontinuum: Defensive und ‘Kampf oder Flucht Reaktionen
Die ‘sensibilisierte’ Hyperarousal- Antwort

Dies bedeutet natürlich auch, daß diese Komponenten der Angstantwort selbst sensiblisiert werden. Alltägliche Stressoren, die zuvor gar keine Reaktion hervorgerufen hätten, können jetzt zu einer Überreaktion führen — diese Kinder werden hyperreaktiv und übersensitiv. Dies, weil das Kind sich in einem andauernden Angstzustand befindet (der jetzt eine Persönlichkeitskomponente ist). Außerdem bedeutet dies, daß das Kind jetzt sehr leicht von geringer Furcht zu einem Gefühl von massiver Angst oder Terror übergeht. Auf lange Sicht beobachtet man bei diesen Kindern ein Vielzahl unangepaßter emotionaler Verhaltensweisen und kognitiver Probleme, die ihre Wurzel in der ursprünglichen Anpassung an das traumatische Ereignis haben.

Tatsächlich benutzen jüngere Kinder üblicherweise eher eine Kombination von Anpassungsmechanismus, die dazu da sind, um zu Beginn einer Bedrohung die umsorgenden Personen (Eltern) dazu zu bringen, sie zu verteidigen, (eine beginnende Hyperarousalantwort). Und wenn die Bedrohung anhält, wechseln sie zu einem dissoziativen Kontinuum, sie werden zunächst starr (immobil,freezing) und fügsam, später völlig dissoziiert; schließlich, im Extremfall, ohnmächtig.

Das Dissoziative Kontinuum: Die “Freeze” oder “Surrender” Reaktion

Freezing ermöglicht eine bessere Lokalisation von Geräuschen, eine bessere visuelle Beobachtung — und eine allgemein verbesserte Überwachung der Umwelt auf mögliche Gefahren. Zusätzlich ist Freezing durch den Mangel an Bewegung eine Möglichkeit, sich der Entdeckung des Angreifers zu entziehen (manche Raubtiere sehen nur, was in Bewegung ist). Im Angesicht einer zunehmenden Bedrohung kann Freezing den Vorteil haben, sich neu zu organisieren und Wege zu antworten herauszufinden.

Dissoziation heißt einfach, sich von den Reizen der äußeren Welt abzuschirmen und in der inneren Welt zu bleiben. Tagträumen, Fantasie, Depersonalisation, Derealisation, und Fugue- Zustände sind Beispiele für Dissoziation

Traumatisierte Kinder verwenden eine Vielzahl von dissoziativen Techniken. Kinder berichten davon, daß sie an einen ‘anderen Ort’ gehen, die Gestalt von Helden oder Tieren annehmen, das Gefühl haben, ‘einen Film anzusehen, in dem sie selbst vorkommen’ oder einfach dahintreiben- klassische Depersonalisations- und Derealisationsantworten. Beobachter beschreiben diese Kinder als empfindungslos, roboterhaft, reaktionslos, tagträumerisch, handelnd als ob sie nicht da wären, vor sich hin starrend mit glasigem Blick.

Neurobiologie des dissoziativen Kontinuums

Wie bei der Hyperarousal/Kampf oder Flucht Reaktion, beinhaltet Dissoziation Hirnstamm vermittelte ZNS -Aktivierung, die zu einem Anstieg des zirkulierenden Adrenalins und der Stresshormone führt. … Ein wesentlicher ZNS- Unterschied ist aber, daß bei der Dissoziation auch der Vagustonus (Hirnnerv, der die parasympathische Innervierung eines großen Teils des Körpers übernimmt) dramatisch ansteigt, dadurch fällt der Blutdruck und die Pulsfrequenz ab(was manchmal zur Onmacht führt), dies trotz ansteigendem zirkulierendem Adrenalin.

Teleologische Signifikanz der Antwort eines Kindes auf Bedrohung

je immobiler, hilfloser, und machtloser ein Individuum sich fühlt, umso wahrscheinlicher benutzt es eine dissoziative Reaktion.

das Hyperarousal und das dissoziative Kontinuum, waren über Tausende von Generationen Anpassungsmechanismen im Klan/Stämme- Krieg.

Kinder werden vorgestellt, weil sich die Erwachsenen an den Symptomen stören (die meist von anderen Erwachsen verursacht wurden). Ein kooperatives, dissoziatives, depressives junges Mädchen wird kaum zum Kinderpsychiater gebracht.

Benutzungsabhängige Internalisation von primären Adaptionen oder Anpassungsreaktionen

Klinische Folgerungen

Das erste Mißverständnis ist die Annahme der Flexibilität und problemlosen Anpassungsfähigkeit von Kindern … Die nicht reaktiven, starren Mechanismen freezing/surrender werden oft nicht wahrgenommen oder als Nicht-Betroffensein fehlgedeutet. Kinder sind nicht mit einer Elastizität und problemlosen Anpassungsfähigkeit gesegnet- sie sind sehr verwundbar. Im Prozess des Darüber-Hinwegkommens gehen Teile ihres tatsächlichen emotionalen, Verhaltens-, kognitiven und sozialen Potentials (oft endgültig) verloren.

Am wichtigsten sind verantwortungsvolle, gesunde und fürsorgliche Bezugspersonen. Sie kennen die Alarmreaktion oder Dissoziation.

Schlußfolgerungen

Kinder benutzen eine Vielzahl von Anpassungsmechanismen angesichts von Bedrohungen und, in einer benutzungsabhängigen Art und Weise internalisieren sie Aspekte dieser Anpassungsmechanismen, auch auf der organischen Ebenen des sich entwickelnden Gehirns.

Wichtiger noch ist, zu verstehen, daß Auswirkungen von Erlebnissen unserer Kinder, sich auch überdauernd in unserer Kultur niederschlagen. Im Prozess des Darüber-Hinwegkommens gehen Teile ihres tatsächlichen emotionalen, Verhaltens-, kognitiven und sozialen Potentials (oft endgültig) auch für die Gesellschaft verloren. Das Mißverständnis der Annahme einer grenzenlosen Elastizität und problemlosen Anpassungsfähigkeit von Kindern schadet auch dem Entwicklungspotential der ganzen Gesellschaft.

Das Gehirn entwickelt sich in einer vorhersehbaren Art und Weise — vom sehr primitiv zu sehr Komplex. Ontogenese wiederholt die Phylogenese.
Normale Entwicklung von neuronalen Systemen (und den Funktionen die sie steuern) erfordert spezifische Aktivierungsmuster — spezifische ‘Signale’ — zu spezifischen Zeitpunkten in der Entwicklung.
Diese kritischen Perioden sind Fenster der Verletzlichkeit während derer sich organisierende Systeme sehr sensibel auf das Input der Umgebung — einschließlich traumatischer Erlebnisse reagieren.
Weil die verschiedenen Systeme im Gehirn zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Leben eines Kindes reifen und sich entwickeln gibt es unterschiedliche kritische Perioden für unterschiedliche Funktionen (bes. Regulation der Angst, Stimmung, abstraktes Denken).
Weil diese Hirn-Systeme sich sequentiell, vom Hirnstamm zum Cortex entwickeln, erfordert die optimale Entwicklung der komplexeren Systeme (bes. des Cortex) eine gesunde Entwicklung der weniger komplexen Systeme (bes., des Hirnstamm und des Mittelhirns).
Deshalb kann sich wenn die Zustands- regulierenden Teile des Hirns(bes., des Hirnstamm und des Mittelhirns). sich weniger optimal entwickeln (bes. nach einen größeren traumatischen Erlebnis) dies Einfluß auf die Entwicklung aller anderen Regionen des Gehirns nehmen.
Das Gehirn ist sensitiv (plastisch) in seiner Reaktion auf Erlebnisse während des ganzen Lebens — aber bestimmte Regionen des Gehirns sind plastischer(Cortex) und andere relativ wenig (Hirnstamm) .
Erlebnisse können das reife Hirn verändern –Aber ERLEBNISSE WÄHREND DER KRITISCHEN PERIODEN DER FRÜHEN KINDHEIT ORGANISIEREN HIRNSYSTEME!
Traumas während der Kindheit,können also einen bleibenden Einfluß auf die Organisation — und alle zukünftigen funktionalen Fähigkeiten eines Kindes haben.

Wie bei allen Erlebnisse –wenn das Gehirn das neurophysiologische System das mit Alarm oder mit Dissoziation verknüpft ist aktiviert, gibt einen benutzungsabhängige neurobiologische Veränderung (oder bei jüngeren Kindern Organisation) die dies Aktivierung widerspiegelt.
Es ist diese benutzungsabhängige Veränderung der Hirn-Entwicklung und Organisation die den beobachteten emotionalen, Verhaltens-, kognitiven, sozialen und physiologischen Veränderungen nach einem Trauma in der Kindheit zugrunde liegt.
Generell, leitet sich vom vorherrschenden Anpassungsstil auf ein akutes Ereignis ab, welche Symptome sich daraus entwickeln — Hyperarousal oder Dissoziativ.

Alles was die Intensität und Dauer der akuten Reaktion vermindern kann (Alarm oder dissoziativ) wird die Wahrscheinlichkeit bleibender neuropsychiatrischer Symptome vermindern!
Allgemein sind Struktur, Vorhersagbarkeit, und Berechenbarkeit sowie Wohlwollen die entscheidenden Elemente einer frühen erfolgreichen Intervention bei einem traumatisierten Kind.
Gefragt ist zunächst die Hauptbezugsperson. Deshalb braucht sie selbst Hilfe und auch Hilfe die Reaktionen des Kindes zu verstehen.
Wenn die Hauptbezugsperson durch das selbe Trauma betroffen wurde, braucht auch sie eine Behandlung, dies ist auch im Hinblick auf die Behandlung des Kindes zwingend
Frühe Diagnostik und Intervention kann prophylaktisch sein –sie kann helfen, langdauernde neurophysiologische, neuroendokrine und neuropsychologische Traumareaktionen zu vermindern

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