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Also eigentlich kann man sich eine große Erklärung sparen. Man muss nur Japaner sein und dann weiß man:

三つ子の魂百まで”
mitsugo no tamashii hyaku made
Die Seele eines Dreijährigen bleibt ihm 100 Jahre

und damit ist eigentlich alles gesagt – für einen Japaner, der dann zwar auch nicht unbedingt mehr weiß, aber da das dort fast sowas wie ein Naturgesetz ist, wird eine Kindererziehung in amae und oyako nicht hinterfragt.

Kulturell mehr westlich geprägten Menschen bedürfen allerdings wohl einer etwas ausführlicheren Erklärung insbesondere wie viel Hirnphysiologie aus aktueller Hirnforschung in dieser alten japanischen und die japanische Kultur maßgeblich bestimmenden Weisheit steckt.

Dass irgendwas mit der Behandlung psychischer Probleme nicht so richtig stimmt, kommt einem wenn man sich langandauernden Störungen und Therapieresistenzen ansieht. Dazu die Vielzahl an Therapieformen und -ansätzen, selbst das was als seriös gilt. Gilt doch auch die alte Medizinerweisheit:

Die Anzahl der Therapien gegen eine Krankeit ist umgekehrt proportional zur ihrer Wirksamkeit und dem Wissen über die Krankheit

Demzufolge müssten die Therapien und Medikamente gegen Depressionen und andere psychische Krankheiten allesamt ziemlich wirkungslos sein. Und in einzelnen wissenschaftlichen Artikeln ist immer wieder von Fällen die Rede, die sich als therapieresistent erweisen, meist solche mit langandauernden psychischen Problemen. Unklar ist dabei immer warum dies der Fall ist. Eine Erklärung wird selten gegeben bzw. wird auf einen Mangel an einem Stoff reduziert (Posttraumatic Oxytocin Dysregulation Disorders), aber keine ursächlichen Zusammenhänge aufgedeckt.
Auch von Traumata, posttraumatischen Belastungsstörungen und vielerlei anderen Diagnosen, Krankheiten und Störungen ist die Rede, aber wie diese ursächlich entstehen, wird nie geklärt.
Dies ist aber wichtig, wenn man Medikamente und Therapien in ihrer Wirksamkeit beurteilen will, nämlich in wie fern diese wirklich die Ursache angehen und nicht nur Symptome unterdrücken oder Schäden reparieren.

Interessanterweise war es der Blick auf die psychisch “Gesunden” und der Vergleich zu den psychischen Problemfällen, der des Rätsels Lösung sein sollte:

Im Artikel zu Bryan Post und den darin verlinkten Videos mit ihm wurde es schon angesprochen: das Zeitfenster vom 18 bis 36 Monat im Leben eines jeden Menschen. Die Amygdala, das Angstzentrum, ist mit 18 Monaten schon “online”, der Hippocampus, die Bewußtseinsschaltstelle ist aber erst mit 36 Monaten (3 Jahre) “online” also funktionstüchtig.
Dazu muss man wissen, dass das Kindergehirn sehr, sehr, sehr viel in dieser Zeit lernt. 20.000 synaptische Verbindungen in der Sekunde werden dort hergestellt. Ab dem Alter von 5 Jahren nimmt dies drastisch ab. Bei einem Erwachsenen liegt die Lernrate nur noch bei 500 Synapsen pro Tag(!) – und das ist ein guter Tag. (siehe Artikel und Vortrag von Bruce D. Perry). Und es hat sich auch qualitativ beim Lernen etwas verändert. Erwachsene lernen bewußt, auch im Schlaf, mit der Großhirnrinde. Unbewußtes Lernen im Limbischen System (Hippothalamus, Graue Gehirnmasse), das für die unbewußte(!) emotionale Regulation zuständig ist, findet nicht mehr statt. Die Hirnentwicklung des Menschens folgt auch beim eigenständigen Individuum (Ontogenese)den evolutiven Vorgaben (Phylogenese) und erfolgt schrittweise und unaufhaltsam. Einmal abgeschlossene Schritte können nicht mehr nachgeholt werden.
Was aber genau lernt man in dieser Zeit? Man lernt die unbewußte Auto-Regulation von Emotionen, inbesondere Angst. 18 Monate, die Amygdala schlägt schon Alarm, der Körper wird in den Überlebensmodus geschaltet, die Stressreaktion setzt ein. Das Kind hat das aber noch nicht gelernt sich selbst und unbewußt zu regulieren. Deshalb ist es jetzt so wichtig, dass die Mutter bzw. die primäre Bezugsperson da ist und die Angst und den Stress des Kindes sieht und beruhigend auf es einwirkt. Das Kind beruhigt sich bzw. es lernt sich selbst zu beruhigen, durch die Zusprache und Zuwendung der Mutter.
Das ist ein enormer Lernprozess. Nochmal: 20.000 Synapsen pro Sekunde und das über 16 Monate! Und das Gehirn lernt auch hier nur indem es benutzt wird, das Kind also die entsprechenden positiven Erfahrungen im Umgang mit Stress macht. Wenn in dieser Zeit einer stressigen Situation zuverlässig die Beruhigung durch die Mutter folgt, wird das Kind Nerven wie Drahtseile bekommen und dann kann es Kettenraucher wie ein Helmut Schmidt sein und trotzdem 100 Jahre alt werden.

Was aber wenn das nicht passiert? Wenn das Kind in diesem Alter Stress ausgesetzt wird und es wird nicht durch seine Mutter beruhigt? Dann passiert das was man als frühkindliches Trauma und komplexe posttraumatische Belastungsstörung und Persönlichkeitsstörung bezeichnet. Das Kind bleibt mit seiner unregulierten und für es selbst nicht regulierbaren Stressreaktion allein. Ein Kind kann auch noch nicht kämpfen oder flüchten, es erstarrt lediglich. Doch das Überlebensprogramm arbeitet weiter. Es wird versuchen Hilfe zu finden. Es schreit unbewußt seiner Unwelt durch Körpersprache zu “Helft mir!” Doch leider bleiben Kinder in diesem Alter in westlichen Kulturen häufig unverstanden. Bei Erwachsenen herrscht immer noch die Vorstellung vor, dass Kinder in diesem Alter praktisch unbegrenzt belastbar seien, da sie ja noch nichts mitbekommen würden. Die Realität ist das krasse Gegenteil: nie wieder wird das Kind so viel lernen wie in dieser Zeit! Und es lernt fürs ganze Leben. Bleiben die Hilferufe unerhört fängt das Kind an zu dissoziieren und spaltet seine Angst und seinen Stress von sich ab um überleben zu können. Je nach schwere der emotionalen Vernachlässigung oder sonstigen traumatischen Erfahrung kann das ganze Spektrum psychischer Störungen auftreten bis hin zu multiplen Persönlichkeiten, Schizophrenie und Psychopathen. Am vergleichsweise besten haben es noch die auffälligen Kinder, denn um die wird sich eher gekümmert, schlicht weil sie eben auffallen. Ob und ob richtig steht noch mal auf einen anderen Blatt. Die schlechtesten Karten haben ironischerweise die Kinder, die am besten dissoziieren und kompensieren können, denn diese sind kaum auffällig. Still und scheinbar zufrieden beschäftigen sie sich mit sich selbst. Die Eltern freuen sich auch noch über ein so “pflegeleichtes” Kind. Dass ihr Kind die emotionale Beziehung zu ihnen schon gekündigt hat, kriegen die gar nicht mit. Und eine emotionale Vernachlässigung in der frühen Kindheit setzt sich meist nahtlos bis in die Jugend und das frühe Erwachsenenalter fort. Da ist der Käse zwar schon lange gegessen bzw. es würde nicht mehr viel nützen, wenn hier noch mal versucht würde das Ruder herum zu reissen, aber daran hat das Kind als Erwachsener wenigstens Erinnerungen. Anhand dieser Erinnerungen, meist ein gespanntes Eltern-Kind-Verhältnis, kann dann auf die unbewußte Phase vor dem 4. Lebensjahr extrapoliert werden.

Entscheidend ist: das Kind und später der Erwachsene ist nicht in der Lage seine Emotionen, sein Angst und seine Stressreaktion autonom und unbewußt zu regulieren. Und er kann es auch nicht mehr lernen.

Ein anschauliches Beispiel für die Disregulation: Autofahrt, dichter Feierabend-Verkehr, man selbst ist schon etwas müde, da bremst der Vorfahrer auf einmal abrupt und unerwartet ab, in letzter Sekunde kann man durch schnelle Reaktion und Bremsen einen Auffahrunfall noch abwenden. Wie fühlt man sich da? Das Herz schlägt bis zum Hals, man schwitzt, man ist aufgeregt, man denkt noch welche Schimpfworte man dem Vorfahrer passenderweise an den Kopf werfen könnte, man flucht, man schreit, man ärgert sich über die @®$¢ħgeige, kurzum: Stressreaktion. So reagieren mehr oder weniger alle. Auch Traumatisierte. Doch was ist wenn die Gefahr und die Situation vorbei ist? Wer nicht traumatisiert ist, der reguliert seine Stressreaktion relativ schnell wieder ein, er beruhigt sich – vollkommen autonom und unbewußt, zu Hause erzählt er noch seinem Partner, was er für ein @®$©ħłø©ħ er auf der Autobahn getroffen hat, aber am Ende des Tages wird er den Vorfall bei einem Bierchen am Fernseher vielleicht sogar schon wieder vergessen haben. Anders der Traumatisierte: er kann sich nicht so einfach selbst beruhigen. Sein Stress und seine Stressreaktion bleiben, über Stunden, über Tage manchmal sogar über Wochen und Monate, im Extremfall über Jahre. Und er macht das was er als Kind gemacht hat: er dissoziiert und er kompensiert. Er kann den Vorfall nicht vergessen, er denkt und grübelt darüber, auch noch am nächsten Tag, er quält sich mit Schuldfragen und was wäre wenn und welche Folgen alles gehabt haben könnte usw. usw. er fühlt sich dauerhaft nicht gut, schläft vielleicht schlecht, ist nervöser als sonst, ist verspannt usw. Der Stress bleibt. Und das führt auch aufgrund der Vielzahl an Triggern und Stressoren, die sich durch Erfahrung im Leben ansammeln, zu permanentem Dauerstress. Bis zu einem gewissen Grad kann man durch Vermeidung, Entspannungstechniken und kognitive Verhaltensänderungen den Stress etwas herunter fahren, so dass er nicht mehr so als Problem wahrgenommen wird. Doch davon geht der Dauerstress nicht weg bzw. jede Entspannungsmethode, jedes Medikament, jede Droge hat nur kurzfristige, unterdrückende Wirkung, und im Vergleich zu der erlernten Auto-Regulation alles unspezifische Holzhammermethoden. Dazu wie immer bei Symptombehandlung: keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Je besser etwas wirkt um so größer i.d.R. die schädlichen Nebenwirkungen. Da hat man als Traumatisierter die Wahl zwischen Pest (toxischer Stress) und Cholera (schädliche Nebenwirkungen).

Für die automatische, unbewußte, aber eben erlernte Stressregulation gibt es keinen Ersatz.

Und das rückt auch jede Form von Therapie in ein anderes Licht, ein Zwielicht. Denn im Grunde wird dort nur an den Symptomen herum gedoktert und weder Therapeut noch Patient verstehen wirklich was los ist. Oder welcher Therapeut klärt einen so auf? Und wenn sie es verstünden, dann müssten sie sich eingestehen, dass es keine Heilung geben kann. Jetzt wird man einwenden: aber es gibt doch so viele evidence-based Therapien, also quasi mit Wirkungsnachweis. Sicher, grundsätzlich wirkt jede Therapie positiv, und sei es nur für das Bankkonto des Therapeuten. Nur wie sie genau wirkt und wie nachhaltig eine positive Wirkung ist, das ist damit nicht gesagt. Wenn man einem Heroinsüchtigen im kalten Entzug Heroin spritzt, dann geht es dem auch besser – für den Moment. Und so sollte man sich eher fragen ob Therapie und alles andere was die Menschheit sich einfallen lässt, nicht eher der Betäubung durch ein Suchtmittel gleicht, denn wirklicher Heilung. Das stellt sich nämlich immer dann heraus, wenn das Suchtmittel nicht mehr vorhanden ist, oder die Wirkung aufgrund von Gewöhnung nachlässt. Von den Therapieansätzen, die überhaupt nur eine unzureichende Wirkung oder ganz und gar Hokuspokus und andere Scharlatanerie sind und die den Leuten für viel Geld nur Hoffnung verkauft, ganz abgesehen.

Auch Medikamente müssen vor diesem Hintergrund als mehr oder minder schlecht wirkende Suchtmittel gelten, denn es gibt keine Lernpillen für das limbische System, also auch hier keine Heilung. Manche Medikamente sollen ja für neue Hirnzellen im Hippocampus sorgen, da dieser durch den Stress geschädigt wird. Dies repariert aber nur die Schäden an dieser Stelle und ist nicht nachhaltig, da der Stress und die ungedämpfte Stressreaktion bleiben. Renomierte Hirnforscher wie Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer geben auch zu, dass Medikamente nichts bringen, wenn die übrigen Probleme (im Alltag und im sozialen Umfeld!) nicht in den Griff zu kriegen sind. Das kann auch für Psychotherapien u.ä. gelten.
Und selbst das wirksamste und nachhaltigste Medikament/Therapie, eine unterstützende Beziehung (siehe Artikel und Vortrag von Silke Birgitta Gahleitner) hat nur so lange Wirkung wie es diese Beziehung gibt und befähigt auch nicht zur autonomen, unbewußten Stressregulation. Das stellt sich immer dann heraus, wenn diese Beziehung (meist durch den Tod des Partners) beendet wird. Sofort setzt der “kalte Entzug”, eine Depression ein und dauert dann zusammen mit der Trauer richtig lange. Und auch solange verfügbar kommt die Wirkung nicht an eine autonom-unbewußte als Kind erlernte Stressregulation heran: der Stress bleibt und das Stressreaktionlevel bleibt erhöht und damit auch die Gesundheitsrisiken und die Lebenserwartung stark vermindert. Die ganze Bandbreite an terminalen Zivilisationskrankheiten ist möglich: allen voran Krebs und Herzkrankheiten aller Art, Schlaganfall, Alzheimer, dazu suchtbedingte Krankheiten wie Leberzirrhose durch Alkoholismus, Raucherbein und Diabetes durch Rauchen usw. – die üblichen Verdächtigen eben.
Alle Suchtmittel wirken letztendlich deswegen so schlecht, weil sie eben nicht unbewußt, sondern über das Bewußtsein gesteuert werden. Aber das Bewußtsein hat nicht die genauen Sensoren für die Stressreaktion und das Suchtmittel hat eher eine Breitband- denn eine spezifische Wirkung. Es erfolgt also praktisch immer eine der Stressreaktion schlecht angepasste Regulation. Bei Unterdosierung bleibt der Stress unreguliert, bei Überdosierung treten Gewöhnungseffekte und Abstumpfung ein, von den eventuellen unerwünschten Nebenwirkungen ganz zu schweigen.

Nützen Medikamente und Therapien dann gar nichts? Doch. Medikamente und Therapien, können für Betroffene einen Nutzen haben, Allerdings hängt dies zum einen von den Erwartungen ab, die daran gestellt werden und zum anderen wie sorgsam und angepasst, diese angewendet werden. Es sollte von vornherein klar sein, dass es nach Stand der Dinge kein Heilung gibt. Des weiteren sollte eine Risiko-Nutzen-Analyse vorgenommen werden. Was bringen welche Therapien und welche Medikamente für diesen Patienten? welche Möglichkeiten gibt es die der Betroffene selbst unternehmen kann? wie sieht das soziale, finanzielle und materielle Umfeld aus? In welchem Verhältnis stehen Zeit-/Geldaufwand zu dem Nutzen? Welche Randbedingungen müssen beachtet werden? Ziel muss immer eine auf und mit den Betroffenen abgestimmte Verbesserung der Lebensqualität und Lebensverlängerung unter gleichzeitig möglichst geringer Verschlechterung durch diese Maßnahmen sein.
Darüber hinaus wäre bei Ärzten eine Sensibilisierung für entsprechende lebendbedrohliche, somatoforme Krankheitsrisiken erforderlich.
Die derzeitige Behandlungspraxis erscheint hiervon in jeder Hinsicht noch sehr weit entfernt zu sein, zumal es ja schon an der Erkenntnis des hirnphysiologischen Hintergrundes des sogen. 3-Jahres-“Mythos” (siehe Anfang) mangelt. Jede Behandlung startet daher zur Zeit schon unter ganz falschen Voraussetzungen.

Immer wieder die Frage: lässt sich das Versäumte nicht nachlernen?
Ein Traumatisierter kann das einmal verpasste Lernen der “seelischen Geburt” also die automatische, autonome, unbewußte Angstregulation, nicht nachholen. Die Gründe hierfür sind:
– es ist eine Lern-Erfahrung jeden Lebens, dass es mit dem Alter immer schwerer wird etwas vollkommen neues zu lernen. Man wird immer besser, bekommt mehr Erfahrung, aber in dem was man schon kann.
Jeder weiß: was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
– das Gehirn entwickelt sich auch ontogenetisch in einer phylogenetischen Reihenfolge d.h. vom Stammhirn, über das Mittelhirn zum Großhirn. Es handelt sich dabei um funktionelles Lernen d.h. es unterscheidet sich voneinander in der Funktionsweise und ist nicht austauschbar. Was neu gelernt wird kann nur auf dem aufbauen, was vorhanden ist. Was in unteren Schichten vorhanden ist bleibt. Dies führt dazu, dass das Gehirn eine paradoxe Box ist: je mehr schon drin ist, desto mehr kann (darauf aufbauend) gelernt werden. Je weniger drin ist desto weniger kann gelernt werden.
– Lernen im Erwachsenenalter kann nur an das andocken, was als Kind schon gelernt wurde. Wenn in der Kindheit Lern-Zeitfenster verpasst wurde wie die “seelische Geburt” (bis 3), dann war es das. Wer bis 13 Jahre keine Sprache gelernt hat, der lernt danach auch nicht mehr sprechen. Wer dagegen nicht nur eine sondern mehrere Sprachen gelernt hat, der lernt auch über 30 leicht noch eine weitere dazu.
– Es sind Fälle dokumentiert wo jemand als Kind große Teile des Gehirn verloren hatte oder operativ entfernt werden mussten. Kinder zeigen schon nach kurzer Zeit keine Ausfallerscheinungen mehr und auch als Erwachsene vollkommen normales Verhalten. Wer dagegen als Erwachsener Teile seines Gehirns verliert z.B. Schlaganfall, Unfall, und Fähigkeiten wie Sprache oder Motorik verliert, der hat ein ernsthaftes Problem – so er es überhaupt überlebt. Gegenüber einem substanziellen Verlust reagiert das Kindergehirn wesentlich robuster als das Erwachsenengehirn. Gegenüber einem falschen oder nicht vorhandenen Lerninput ist es genau umgekehrt. Ist die Abwesenheit der Mutter für einen 2-jährigen eine lebensbedrohliche und damit traumatisierende Situation, ist dies für einen Teenager sturmfreie Bude ein durchaus willkommener Zustand.
– das lebenslange Lernen im Gehirn ist eine Optimierungsprozess. Dessen Gesetzmäßigkeiten gilt für alles was sich optimiert oder optimiert wird. Macht man nur große Lernsprünge erreicht man das Optimum nie bzw. entfernt sich immer wieder davon. Macht man nur kleine Lernsprünge dauert es zu lange das Optimum zu erreichen. Weder von den einen noch den anderen Gehirnen stammen wir ab. Um ein Optimum schnell und sicher zu erreichen sind daher am Anfang sehr große und dann immer kleiner werdende Lernsprünge erforderlich. Dieses Lernprogramm des Gehirns ist festgelegt, es verzeiht damit allerdings keine Entwicklungsfehler. Das Gehirn ist ein historisches Organ.
– ein Trauma bedeutet Todesangst. Unter Angst wird sehr schnell gelernt, aber unkreativ und nur auf das Überleben im Moment ausgerichtet. Etwas das einmal Todesangst ausgelöst hat, wird mit 100%iger Sicherheit immer wieder diese Angst und die Stressreaktion auslösen. Und das muss es auch, weil wer einmal nicht vor dem Säbelzahntiger geflohen ist, auch von dem stammen wir nicht ab. Solche Trigger sind nicht abtrainier- oder verlernbar.

Zusammenfassend eine stark vereinfachte, qualitative, grafische Darstellung des lebenslangen Lernverlaufs:

Auf der x-Achse ist das Lebensalter logarithmisch aufgetragen d.h. die Zeiträume verdoppeln sich näherungsweise, was zufällig(?) sehr gut zur Lernkurve und den jeweiligen wichtigen Lebensabschnitten passt. O ist die Geburt.
Auf der y-Achse ist der normierte lebenslange Lernerfolg linear aufgetragen, wobei 1 den maximalen möglichen lebenslangen Lernerfolg darstellt also bei optimalem Verlauf der Hirnentwicklung.
In der Grafik sind nun im wesentlichen zwei Kurve aufgetragen: die Abfolge schwarz. grün und blau ist dabei eine “normale”, optimale Entwicklung, die Abfolge schwarz, blau, die einer in der Phase der “seelischen Geburt” traumatisierte Entwicklung. Die blauen Kurven sind identisch d.h. für diese Darstellung wird optimistisch von keiner weiteren Lernbeeinträchtigung durch das Trauma oder weitere Traumatisierungen ausgegangen.
Charakteristisch ist eine “inflationäre” Phase zwischen 0 und ca. 5 Jahren an deren Ende das Gehirn zu ca. 90% entwickelt bzw. gebildet ist.
Bei der Traumatisierung wird der “grüne” Lernabschnitt quasi “übersprungen”, die Kurve gewaltsam “abgeknickt”. Dadurch klafft eine lebenslange Lernlücke im emotionalen Bereich.
Und das Ende einer Kurve ist auch das Lebensende. Kann bei einer optimalen Lern-Entwicklung von 100 Jahren (± 10 Jahre) Lebenserwartung ausgegangen werden, so liegt diese bei Traumatisierten signifikant darunter. Ich schätze etwas um die 60 Jahre (± 10 Jahre), kann sicher aber bei zusätzlichen negativen Faktoren auch noch drastisch weiter verkürzen.
Diese Kurven sind das maximal mögliche dessen was das Gehirn zu lernen im Stande ist und was an Alter zu erreichen ist. Schlechter geht immer, besser nie.

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