Tierheim

Vor einiger Zeit wollte ich um auf andere Gedanken zu kommen Hunde aus dem Tierheim ausführen. Das hatte ich vor vielen Jahren schon einmal gemacht, aber inzwischen haben sich die Gepflogenheiten geändert und was damals noch unkompliziert und unbürokratisch war, ist heute ein institutionell und juristisch durchgestylter Prozess bei dem es zuerst einen sogen. “Gassigeherausweis” zu erstehen gilt. Also beim Tierheim erst mal anfragen, Termin vereinbaren, Passbild besorgen, Sonntag vormittag dann antreten (Ausweis nicht vergessen) zur mehrstündigen Einweisung in Theorie und Praxis. Passbild und Daten abgeben und eine Woche später den Ausweis abholen und ab da konnte ich Hunde ausführen.

Was hat das nur mit Trauma zu tun? Nun, während der theoretischen Einweisung durch eine verantwortliche Dame des Tierheims ist mir ein interessanter Teil ihrer ausführlichen Ausführungen im Gedächtnis geblieben. Und zwar ging es dabei um den Umgang mit traumatisierten Hunden, die es auch im Tierheim gibt. Die Dame erklärte uns ausführlich wie mit diesen Hunden verfahren wird, warum diese nicht vermittelt werden und folglich auch nicht zum Gassigehen zur Verfügung stehen.

Man hat die Erfahrung gemacht, dass es keine gesicherte Umerziehungsmethode für solche Hunde gibt und folglich keine Garantie, dass sie nicht mehr beißen. Zum Teil sind sie auch extrem neurotisch und sehr schnell in Panik. Das Einzige was sich für das Tierheim als sinnvoll herausgestellt hat ist Ruhe und eine einzige feste Bezugsperson. Wir sind dann später beim Rundgang durch das Tierheim auch ganz still und schnell am jeweiligen Zwinger vorbeigehuscht.

So weit so gut. Der aufmerksame Leser dieses Blogs jedoch wird hier Zusammenhänge erkennen. Zum einen: es gibt traumatisierte Haustiere (Existenzbeweis) und dabei handelt es sich um Säugetiere, die keinen so tollen präfrontalen Cortex besitzen wie wir das tun und in der Folge kognitiv nicht viel mehr können als ein Kleinkind. Aber sie haben das gleiche limbische System und Stammhirn. Wie Shelley Uram in ihren Videos erklärt sitzt eben dort das Trauma und nicht im präfrontalen Cortex. Und die im Tierheim gemachte Erfahrung, dass es keine gesicherte Umerziehungsmethode gibt, zeigt, dass das Trauma bzw. der Trigger so tief sitzt, dass er immer wieder aktiviert werden kann und das Tier in Angst und Stress versetzt wird bis hin zu Panik- und im Fall von Hunden Beißattacken, selbst bei Hunden die scheinbar unauffällig geworden sind. Die Erfahrung lehrt: den entsprechenden Trigger vorausgesetzt kann es immer wieder passieren, und gerade bei “schlafendem” Trauma gänzlich unerwartet.

Jetzt könnte man ja von den Erfahrungen mit traumatisierten Haustieren für den Menschen etwas lernen. Z.B. dass, wie auch Shelley Uram sagt, es ziemlich egal ist was unser Bewußtsein und Verstand denkt und uns veranlaßt zu tun z.B. Psychotherapie und dass das limbische System davon ziemlich unbeeindruckt bleibt. Stattdessen herrscht bei vielen, selbst “Experten”, die Meinung vor man könne sich als Mensch eine solche tiefsitzende Angst (gibt es überhaupt Angst, die nicht tief sitzt, sie muss doch – siehe: Geist und Gehirn – Emotionen GUT und SCHLECHT) durch genug Psychotherapie und wenn der Patient es nur versucht und sich nur anstrengt quasi abtrainieren, also auf Trigger nicht mehr mit Angst zu reagieren. Shelley Uram hat diese Hybris des menschlichen Bewußtseins sehr deutlich an ihrem persönlichen Beispiel einer vollkommen unbegründeteten, geradezu harmlosen Angst vor blauen Luftballons eindrücklich demonstriert. Obwohl sie als langjährige Ärztin und Psychotherapeutin mit absoluter Genauigkeit weiß, dass ein platzender Ballon einem nicht das Auge heraussaugen kann, so zuckt sie immer noch zusammen wenn sie einen blauen Luftballon sieht. Und sie kann es sich hunderttausendmal vorbeten, dass ihre Angst unbegründet ist, der Trigger ist nach wie vor da und bleibt, weil das limbische System keine rationalen Gedanken versteht. Auch wenn wir mit unserem Bewußtsein so tolle Dinge wie Sprache, Kultur und Technik und die ganze Welt um uns herum nach unseren Vorstellungen gestalten und alles (vermeintlich) unter Kontrolle haben, so gibt es doch Dinge ganz nah am Bewußtsein dran, die sich dessen Kontroll(wahn) entziehen. Und zwar nicht nur entziehen, sondern umgekehrt das Bewußtsein um ein Vielfaches mehr beeinflussen als dieses wahr haben will. Das ist natürlich eine bittere Erkenntnis, dass wir nicht mal Herr in unserem ureigensten Haus sind. Und dann auch noch von anderen erwarten oder zumindest die Erwartungshaltung einnehmen, diese mögen sich doch bitte ihre Angst abtrainieren damit man weiter mit diesen unmöglich umgehen kann bzw. die eigenen Ängste in Form von negativem Verhalten an ihnen auslassen kann, dann ist das extrem übergriffig, nicht hilfreich und kann damit selbst ein Trigger (vgl. Die fünf Seelenwunden) sein, der nur noch mehr Angst bei Betroffenen auslöst, mitunter beide in einen Angst-Teufelskreis hinein treibt. “Bad ist stronger than good” (siehe: Geist und Gehirn – Emotionen GUT und SCHLECHT). Die Angst gewinnt immer, wenn man sie ignoriert. Nur wenn man die Angst erkennt, bei sich, beim anderen und man verstanden hat was Angst bedeutet und man wie im Tierheim die Konsequenzen zieht: Trigger vermeiden! Bindung schaffen! – dann kann man den Trigger der die Angst oder Panik auslöst zwar nicht löschen, aber doch zumindest im Zaum halten und damit dem Betroffenen Stress ersparen und ihm gut tun. Umgekehrt ist es nicht angeraten – ggf. in vermeintlicher “Sicherheit” durch Therapie oder Medikamente – sich dauerhaft Triggern auszusetzen, die Angst zu verdrängen und zu unterdrücken; die Angst wird gewinnen – und sei es durch die Selbstschädigung des Organismus durch den chronischen, toxischen Stress in Form psychosomatischer Erkrankungen bis hin zum vorzeitigen Tod, und nicht zuletzt von der verminderten Lebensqualität in Form von psychischem Leid, das einem die Freude am Leben nimmt. Manfred Spitzer sagt in einer seiner Folgen in der es um die positive Wirkung von Antidepressiva in Form von Neubildung von Nervenzellen geht (oder in einer anderen Folge das gleiche durch Sport) dass das alles nichts nützt, wenn die Umstände für den Patienten hinterher genauso schlecht wie vorher sind. Dann ist nichts gewonnen, nur Zeit und Gesundheit verloren.

Als ich damals bei dieser Schulung im Tierheim war, konnte ich die Erfahrung und das Verhalten des Tierheimpersonals noch nicht in seiner ganzen, hier geschilderten Dimension erfassen, aber intutitiv wusste ich, dass mich daraus eine tiefer gehende Weisheit anspricht und deswegen habe ich mir das gemerkt und heute kann ich mir diese Weisheit erklären.

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