Warum ist eine unterstützende Beziehung so wichtig?

Der aufmerksame Leser dieses Blogs weiß natürlich längst, dass Einsamkeit krank macht, viel mehr als Luftschadstoffe, Alkohol und Übergewicht. Und auch dass es nicht die Einsamkeit an sich ist, die krank macht, sondern die Angst und der Stress den man dadurch als hochsoziales Säugetier hat. Alles bekannt, nicht neu.

Aber ist das alles, was eine unterstützende Beziehung ausmacht? auch für (frühkindlich) traumatisierte Menschen?
Man könnte sich ja auch anderweitig gegen die Einsamkeit behelfen als durch eine unterstützende Beziehung. Man zieht in eine WG, man legt sich ein Haustier zu, man richtet einen Notrufdienst ein (sehr beliebt bei älteren Menschen) und schon ist man nicht mehr nachts allein in der Wohnung. Und auch sonst kann man sich mit mehr Menschen umgeben und sich sozial, ehrenamtlich engagieren, mehr unter Leute gehen, sich in einer Selbsthilfegruppe einmal die Woche auskotzen usw. usw.
In gewisser Weise und Hinsicht ist das richtig und funktioniert auch bedingt, so man sich die richtigen Menschen dazu aussuchen kann. Auf die Gewissheit, dass noch weitere Personen im Haushalt sind oder ein Haustier z.B. eine Katze, die sich zu einem abends ins Bett kuschelt, reagiert man intutitiv und vegetativ mit weniger Angst und Stress.
Und als Traumatisierter erspart man sich den Stress der Partnerschaft, angefangen von der Anbahnung, über das Verliebtsein, Alltag und letztlich auch die Trennung – spätestens “bis dass der Tod euch scheidet”.
Es wäre also alles doch so viel einfacher:

Ein Single ist ein Mensch dem zum Glück der Partner fehlt

Dieses Zitat aus einem Lied von Ulrich Roski zeigt aber auch schon die Ambivalenz des Singledaseins auf und dass Haustier, WG und Notrufdienst doch nicht vollwertiger Ersatz für einen Partner sind.
Die Tatsache, dass viele Singles einen Partner suchen deutet auch darauf hin, dass da mehr dahinter steckt als nur ein Mittel gegen den Einsamkeitsstress.
Zum einen deutet es der Begriff “unterstützende Beziehung” schon an. Es geht um gegenseitige Unterstützung und zwar über eine nachbarschaftliche oder durch einen WG-Mitbewohner hinaus. Ein Haustier kann über seine Präsenz und körperliche Nähe hinaus auch nicht viel mehr unterstützend für einen Menschen sein. Und eine Selbsthilfegruppe einmal die Woche für 1 1/2 Stunden mit wechselnden Leuten zu denen man sonst keine Beziehung hat …
Eine wirklich unterstützende Beziehung zeichnet sich dadurch aus, dass man sich aufeinander wechselseitig 100% verlassen kann. Nicht nur bei alltäglichen, praktischen Hilfeleistungen, sondern auch, dass man mit dem Partner über alles – auch Intimes – reden kann, der einem zuhört wenn man Probleme hat. Aber auch – und das ist der entscheidende Unterschied – dem man gleichermaßen hilft. Man glaubt es kaum, aber anderen zu helfen reduziert bei einem selbst auch Angst und Stress:

Geben ist seeliger, denn nehmen

In einer Folge von “Geist und Gehirn” erklärt Spitzer den Zusammenhang, der nicht nur rein statistischer Natur ist, sondern kausal.
Menschen, die anderen helfen, geht es besser, sind glücklicher und leben länger, auch wenn man alles andere herausrechnet, wie dass denjenigen die eh schon kränker sind, mehr geholfen wird und logischerweise von denen die eh gesünder sind. Warum ist das so? Die Erklärung liegt wieder in der hochsozialen Natur des Menschen: die Hilfeleistung an andere ist nicht vollkommen uneigennützig. Wenn ich anderen Menschen helfe, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass dann wenn es darauf ankommt mir geholfen wird, wesentlich höher, als wenn ich ein egoistischer Egozentriker bin, der nur an sich denkt und andere stets zu übervorteilen sucht. Wer sich sozial nicht fair verhält, kriegt von den anderen einen Malus und das selbst dann wenn der Einzelfall die anderen oder die Gemeinschaft mehr kostet als es einbringt. Der unbewußte Hintergedanke dabei ist

Währet den Anfängen

Wenn man einem sein egoistisches Verhalten durchgehen lässt, dann ermutigt das andere es ihm gleich zu tun und das stellt das kooperative Zusammen- und das Überleben der Gruppe in Frage.
So wie die Gruppe asoziales Verhalten überproportional sanktioniert, so kann der Einzelne bei eigener altruistischer Hilfsbereitschaft überproportional Hilfe von der Gemeinschaft erwarten. Hilfsbereitschaft ist eine Art Risiko-Lebensversicherung. Sie zahlt sich in den meisten Fällen nicht aus, aber die Beiträge sind gering und im “Schadensfall” kann man mit sehr viel mehr rechnen, als man “eingezahlt” hat.
Mit einer solchen Risiko-Lebensversicherung schläft es sich besser als ohne.
Eine unterstützende Beziehung potenziert diese Lebensversicherung und das wechselseitig. Beide Partner profitieren exponentiell von der unterstützenden Beziehung durch verminderte Angst und Stress. Sex mit dem Partner reduziert auch den Stress und fördert die Bindung, aber das ist im Vergleich ein Bonus, neben dem Hauptgewinn.
Und speziell Traumatisierte profitieren davon. Ein Neurotypischer mag sich den “Dagobert Duck” noch leisten können. Hat er eben etwas mehr Stress, aber er hat den ja gut im Griff, im Gegensatz zum Traumatisierten. Deswegen ist für Traumatisierte eine solche unterstützende Beziehung so wichtig. Allerdings ist sie auch wie ein Lottogewinn: sehr selten. Wieso und warum schreibe ich im nächsten Beitrag.

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