Warum ist eine unterstützende Beziehung so schwierig?

Im vorangegangen Beitrag “Warum ist eine unterstützende Beziehung so wichtig?” bin ich darauf eingegangen welch überproportionale Bedeutung eine solche Partnerschaft hat, aber auch dass sie einem Lottogewinn gleich sehr selten ist. Warum?

Zum einen ist da die Tatsache, dass es immer mehr Single-Menschen gibt, aber dass das eigentlich keiner als hochsoziales Säugetier wirklich wollen kann. Es muss also handfeste Hinderungsgründe geben, warum sich nicht alle Welt verpartnert. Und speziell warum nicht alle Traumatisierten, die eine unterstützende Beziehung am nötigsten hätten. Stattdessen scheint es umgekehrt: die, die sie am wenigsten brauchen, haben sie. Ungerechter kann das Leben wieder mal kaum sein.
Zum einen ist da das Problem, dass der Mensch zwar andere Menschen zum Überleben braucht, andererseits aber andere Menschen für einen Menschen auch die größte Gefahr darstellen. Nicht jeder meint es gut mit einem. Und in einer zunehmend fragmentierten, entfremdeten, globalen Gesellschaft wo man irgendwie irgendwo immer fremd ist, sind auch die Menschen fremd und man hat Angst vor allem was fremd und unbekannt ist. Es fehlt die positive Erfahrung mit dem Fremden. (was auch erklärt, dass Fremdenfeindlichkeit besonders dort ausgeprägt ist, wo es die wenigsten Fremden gibt und man diese nur vom Hörensagen kennt bzw. das Bild durch Vorurteile oder wenige negative Beispiele geprägt ist)
Die Städte werden immer größer. Die Landflucht entvölkert das Land. Die Dorfgemeinschaft wo jeder jeden von Kindesbein an kennt und wo untereinander geheiratet wird, wird zum Ausnahmefall. Die zunehmende Urbanisierung kann man nun gut finden oder nicht und über ihre Ursachen debattieren, es bleibt eine Tatsache. Und in der Folge nimmt die Angst der Menschen voreinander zwangsläufig zu. Es wird generell schwieriger zu anderen Menschen ein Vertrauensverhältnis, was Grundlage jeder unterstützenden Beziehung ist, aufzubauen, auch mangels sozialer Kontrolle. Und wo die soziale Kontrolle fehlt verkommen schnell Anstand und Sitte. Der Umgang unter den Menschen wird rücksichtsloser, rauher und kälter, sehr schön auch im Internet zu sehen, wo die Menschen überhaupt nicht mehr real miteinander interagieren, sondern nur noch virtuell. Und Traumatisierte, die eben besondere Probleme mit Angst und Stress, eben auch vor anderen Menschen haben, haben damit besonders ein Problem.

Neben der soziogeographischen Fragmentierung der Gesellschaft findet auch eine zunehmende Fragmentierung der Individualität statt. In einer Welt des Informations-, Unterhaltungs-, Mobilitäts-, Konsum- und Fortschrittsoverkills sind die Möglichkeiten der Individualisierung unbegrenzt und speziell in westlich geprägten Kulturkreisen wird diese Individualisierung auch noch kulturell gepflegt, was noch ganz eigene negative Auswirkungen auf die Fähigkeit zu empathischer Beziehung hat (siehe Vortrag von Prof. Dr. Arno Grün). Auch das fördert die Fremdheit der Menschen untereinander. Wenn jeder anders ist, gibt es nicht mehr die identitätsstiftende Gruppe.

Es stellt sich also zunehmend und ganz generell das Problem einen passenden Partner und dazu noch eine unterstützende Beziehung zu finden. Und wenn man einen vermeintlich passenden Partner gefunden hat, gehen die Probleme erst richtig los. Sobald der Liebesrausch vorbei ist, setzt die Ernüchterung ein und dass der Partner doch nicht ganz so ist wie man sich das vorgestellt hat, ist bzw. dieser sogar einem nur etwas vorgespielt hat.
Der Song der Ärzte “Männer sind Schweine” beschreibt das Dilemma aus Sicht der Frauen recht deutlich, aber umgekehrt gilt das Gleiche, nur eben in grün. Dazu kommt nicht selten eine Unfähigkeit beider Seiten miteinander empathisch zu kommunizieren. Angst wird zum dominierenden Prinzip. Streit und Trennung sind meist die Folge. Nicht nur die Single-Dichten erreichen Höchststände, die Scheidungsraten auch.

Weiter verschärft sich die Situation, wenn man bedenkt, dass Männer und Frauen evolutionär-reproduktionsbiologisch bedingt vollkommen unterschiedliche Partnerwahlstrategien verfolgen. Für den Mann sind jung, schön und sexy die Hauptkriterien der Partnerwahl, für die Frau sind Intelligenz, Körpergröße, Geld, Macht und vor allem gesellschaftlicher Status des Partner Hauptkriterien. Bernhard Ludwig hat letzteres als das MORE-Syndrom bei Frauen beschrieben. In einem freien, aber weiterhin weitgehend monogamen Partnermarkt wo Eltern und Verwandte keinen Einfluß auf die Partnerwahl nehmen und sich jeder frei seinen Partner nach seinen Präferenzen suchen kann, bildet sich nun eine extreme Schieflast bei der Partnerwahl aus. Grob gesagt: die junge, blonde, pflegeleichte Tussi mit dicken Titten schleppt das schon nicht mehr ganz so frische, aber großgewachsene alpha-Männchen mit Karriere, Status und dicker Brieftasche ab. Übrig bleiben auch grob gesagt auf der einen Seite die schon nicht mehr ganz so frischen, “guten”, selbstbewußten Frauen mit Status und Karriere und auf der anderen Seite bei den Männern die Underdogs: klein, dicklich, dumm, sozial abgehängt, ohne Status und ohne Karriere. Und diese beiden letzteren passen nun mal so zusammen wie Sauerkraut und Vanillesoße. Die Underdogs würden schon wollen – in der Not frisst der Teufel Fliegen und der possibility-Winkel alpha wird gigantisch – aber die “guten” Frauen eben nicht. Männer sind grundsätzlich flexibler in der Partnerwahl, auch wenn sie die junge, blonde, sexy und pflegeleichte Tussi bevorzugen und auch mit dem Alter sinken die Ansprüche eher als, dass sie steigen. Bei den “guten” Frauen umgekehrt: je älter sie werden, je mehr Lebenserfahrung sie haben, je mehr Karriere sie machen, je mehr Partner sie ausprobiert haben um so ausgeprägter werden ihre Vorstellungen von einem Mann, der sie verdient. Was dazu führt, dass es für ältere Männer leichter sein kann eine junge, weniger anspruchsvolle Frau abzubekommen als eine ältere. Was das Problem aber nur weiter verschärft. Frauen sind da weniger flexibel, aber auch weil sie es sich eher leisten können Single zu bleiben, denn Frauen haben und suchen wesentlich mehr sonstigen sozialen Kontakt. Da geht Frau dann lieber mit der Freundin einen Prosecco trinken, als sich mit einem uninteressanten, langweiligen Underdog, der ihr nichts zu bieten hat, abzugeben.
All dies spiegelt den evolutiv-reproduktionsbiologischen Unterschied zwischen Weibchen und Männchen und speziell bei hochsozialen Säugetieren wie dem Mensch wieder. Das ist daher auch keine Frage des Bewußtseins, sondern eine sehr triebhafte, unbewußte Verhaltensweise der Geschlechter. Das Bewußtsein wundert sich nur. Die “guten” Frauen wundern sich: “Komisch, es gibt keine guten freien Männer über 40. Die sind wie Toiletten: besetzt oder beschissen.” Und die Underdog-Männer wundern sich: “Komisch, es gibt so viele freie, gute Frauen, aber keine will mich haben”

Traumatisierte kommen in diesem stressigen Partnermarkt fast zwangsläufig weiter unter die Räder. Die stressige Partnerwahl und eine stressige Beziehung tun ihnen nicht gut und sie sind schneller wieder allein als Neurotypische, die mehr Stress aushalten. Ihre Ansprüche an eine Partnerschaft müssen noch höher sein, denn allein sein/bleiben, ist für einen Traumatisierten unter zu Hilfenahmne des diversen sozialen Ersatz (Haustiere, WG, Selbsthilfegruppe etc.) gegenüber einer stressigen Beziehung das kleinere Übel. Dazu kommt dass sich Traumatisierte nach dem Grundsatz “Gleich und gleich gesellt sich gern” sehr häufig bei gleichermaßen traumatisierten Partnern landen (auch weil sie für die Neurotypischen uninteressant sind). Das hat zwar den Vorteil, dass man sich besser in den Partner einfühlen kann, weil es dem ähnlich ergeht. Aber weil beide auch das Angst-Stress-Problem haben geht man sich sehr schnell, kolossal auf die Nerven. Einmal im Angst-Teufelkreis gefangen trennen sich bald die Wege wieder und das meist ohne beide wirklich begriffen haben was da passiert ist.

Düstere Aussichten? In der nächste Folge gibt es einen Ausblick wie eine unterstützende Beziehung doch gelingen kann.

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